Für Kinder von Mitarbeitern des Landesamts für Verfassungsschutz hat die Band Feine Sahne Fischfilet (FSF) ein ganz besonderes Angebot: Sie dürfen kostenlos zu allen Konzerten kommen. „Musste dir keine Sorgen machen”, schreibt die Gruppe auf Facebook an Schwerins Innenminister Lorenz Caffier (CDU).
FSF, diese sechs Musiker aus Rostock, Jarmen und Umgebung – sie haben nicht besonders schwer daran zu tragen, dass sie vor zwei Wochen erneut im Verfassungsschutzbericht von Mecklenburg-Vorpommern (MV) aufgetaucht sind. Das vierte Jahr in Folge. „In Bezug auf die Punkband Feine Sahne Fischfilet hat sich gegenüber den Vorjahren keine Änderung der Rechtslage ergeben”, steht da auf Seite 53.
Das ist interessant, weil FSF nicht mehr nur irgendeine Band ist. Die Gruppe aus dem Norden erfreut sich deutschlandweit wachsender Beliebtheit, Tausende besuchen die Konzerte, in der linken Szene hat sie geradezu Kultstatus erreicht. Das aktuelle Album Bleiben oder Gehen hat es in die Charts geschafft. Die Tour durch deutsche Klubs im Sommer? Fast ausverkauft. FSF stand auf den Bühnen der großen Festivals, Rock am Ring, Fusion, Deichbrand, sie war Vorband der Toten Hosen, und auf 3sat wurde sie gerade in der Reihe Kulturlandschaften des Schriftstellers Wladimir Kaminer vorgestellt.
Die Gefechte zwischen der Punkband und Lorenz Caffier gehen dennoch weiter. Manchmal wirkt es, als brauchten beide einander.
Man musste Caffier nur zuhören, Ende August, bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes. Manche Liedtexte seien nicht angemessen, „um es sehr vorsichtig zu formulieren”. In dem Song Staatsgewalt etwa, sagt Caffier, da heiße es: „Die Bullenhelme – sie sollen fliegen. Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein.” Das Urteil des Verfassungsschutzes: Feine Sahne Fischfilet ist eine linksextremistische Vereinigung, die es im Blick zu behalten gilt.
„Die spinnen doch”, sagt Jan Gorkow, der Sänger von FSF, den alle nur Monchi nennen, wenn man ihn darauf anspricht. Den Song Staatsgewalt spiele man schon lange nicht mehr: „Er ist uns schlicht zu platt.” Der Vorwurf, das Lied rufe zu Gewalt auf? Ein „alter Schlapphut”. Genau wie die Sache mit dem Molotowcocktail. FSF, warfen Politiker der Band vor, habe im Internet eine Anleitung für den Bau eines Brandsatzes veröffentlicht. „So ein Quatsch”, sagt Gorkow. „Das war ein Link auf ein Plakat mit dem Titel „Club Molli”, in Anlehnung an das Getränk Club Mate. Satire. Mehr nicht.”
Der Verfassungsschutz und Feine Sahne Fischfilet: Das sind zwei Welten in einem Land. Hier die Behörde, dort die Band.
Ist die Band wirklich so böse, wie der Innenminister glaubt?
Dass die Band erfolgreich wurde, hat etwas damit zu tun, dass ihre Mitglieder frühzeitig den Mut hatten, Neonazis verbal anzugreifen. Aber auch der Verfassungsschutz hat seinen Beitrag dazu geleistet, dass die Gruppe richtig durchstarten konnte. Und Innenminister Lorenz Caffier war in den vergangenen Jahren ihr bester, wenn auch unfreiwilliger Promoter. Mit jedem Eintrag in den Bericht des Verfassungsschutzes wurde die Band bekannter. Weshalb? Weil FSF mehrfach gegen die Nennung klagte – und die Medien berichteten. Vor allem aber, weil die Musiker sich immer einen Spaß daraus machten. Auf Kosten der Behörde. Das kam an.
„Was wir machen, ist kein staatstragender Antifaschismus”
Einmal brachte die Band einen Präsentkorb als Dankeschön für die Werbung zum Schweriner Innenministerium. Ein anderes Mal stellte sie das Video zum Song Gesetzestreue lohnt sich nicht, my Darling ins Netz. Zuletzt parodierte die Band Caffier in einem Video-Clip.
„Die ewige Nennung im Verfassungsschutzbericht ist ein persönliches Ding von ihm”, sagt Sänger Gorkow. Ist Caffier also übereifrig, die Band sein Opfer? So einfach kann man es sich nicht machen, das wird einem klar, wenn man länger mit Gorkow spricht. Zum Repertoire des 27-Jährigen zählen Sätze wie: „Ich habe kein Problem damit, wenn Nazis auf die Fresse kriegen.” Er hält nichts von „Bratwurst essen gegen rechts”, sondern findet Blockaden gegen Naziaufmärsche sinnvoller. Er sagt: „Wir sind keine Unschuldslämmer. Was wir machen, ist kein staatstragender Antifaschismus.”
2014 wurden einzelne Bandmitglieder „erneut als Tatverdächtige von Gewalttaten festgestellt, die sich gegen mutmaßliche Rechtsextremisten richteten”, so der Verfassungsschutz. Anders als in den Vorjahren sei die Punkband jedoch nicht mehr mit explizit extremistischen Aktionen in Erscheinung getreten. Gorkow sagt, Feine Sahne Fischfilet sei sich die ganze Zeit über treu geblieben. Die Band glaubt, dass sich der Verfassungsschutz mehr für sie interessiere als für die Rechtsextremen im Land. „In Mecklenburg-Vorpommern sind wir etwas Besonderes. In Hamburg oder Berlin wären wir eine von 500 Bands.” Das habe Vor- und Nachteile.
Die Nachteile sind: „Wer hier als Fan unser Logo trägt, wird gejagt”, so Gorkow. Gerade auf den Dörfern. Sie, die Bandmitglieder selbst, seien Feindbilder. In seinem Auto steckte eines Morgens eine Axt. Und ein Konzert musste einmal wegen eines Buttersäureanschlags ausfallen. „Jeder von uns ist schon mal von Neonazis bedroht worden. Deshalb versuchen wir, uns selbst zu schützen”, sagt Gorkow. Auf den Staat wolle er sich nicht verlassen. Immer wieder habe es Probleme gegeben vor Auftritten. Kurzfristige Absagen durch den Veranstalter. Höhere Auflagen. Nicht nur in MV; in Dresden wurde ein Veranstalter direkt vom sächsischen Verfassungsschutz gewarnt. Das Schreiben hat die Band als Flyer ins Internet gestellt.
An anderer Stelle fördert das Land die Punkgruppe
Der Vorteil ist: Feine Sahne Fischfilet kennt inzwischen fast jeder, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Vor allem Gorkow alias Monchi ist durch die Auseinandersetzung mit Caffier ziemlich bekannt geworden. Eigentlich sieht er lässig aus. Trägt am liebsten Shorts und Flipflops. Er hat vergangenes Jahr ein Praktikum bei einer linken Landtagsabgeordneten in Thüringen gemacht, die sich um die NSU-Aufklärung kümmert. Mehrmals ist er dabei gewesen, als mit der Aktion „MV für Kobane” Hilfsgüter an die syrisch-türkische Grenze transportiert wurden.
Gegenwärtig entsteht eine Doku über FSF. Der Schauspieler Charly Hübner, Neustrelitzer und Kumpel der Band, ist der Regisseur. Die Arbeit erhält 30.000 Euro von der Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern, „weil die eingereichten Unterlagen und die verantwortlichen Akteure einen sehr interessanten und lebendigen Film vermuten lassen”, heißt es zur Begründung. Das Thema werde im Laufe der Herstellung eventuell noch für Überraschungen sorgen. 30.000 Euro ausgerechnet aus der Landeskasse für eine Doku über einen vermeintlichen Staatsfeind. Beim Verfassungsschutz sollen sie not amused sein. Der Titel der Doku wird lauten: Wildes Herz kennt keine Ruh.
Aus: DIE ZEIT (2015/37)